„Hart, härter, Ötztaler“ – das Marketing der Söldener Veranstalter war wieder einmal treffend für die 42. Auflage des Ötztaler Radmarathon am 9. Juli. 227 Kilometer, 5.500 Höhenmeter. Allein diese Zahlen zeigen: Bei dieser Veranstaltung geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um Kraft, Ausdauer und im Zweifelsfall auch puren Willen. Nur zum Vergleich: Wer vom Soester Markt nach Körbecke fährt, überwindet knapp 220 Höhenmeter.
Drei Athleten vom RSV Hansa Soest machten sich am Sonntag in Österreich auf die Strecke: Max Tigges und Simon Schmitz für das Rennteam, Uwe Becker für die Tourenfahrer. Zusammen mit über 4000 anderen Teilnehmenden ging es zunächst bergab von Sölden nach Ötz. Fahrfehler anderer Teilnehmer sorgen bereits hier für brenzlige Situationen, doch die Soester absolvieren den ersten Teil der Strecke erfolgreich. Ab Ötz geht es in den ersten von insgesamt vier Anstiegen des Tages, der Kühtaisattel wartet mit mehr als 1.200 Metern Höhenunterschied auf die Teilnehmenden. Hier zieht sich das Feld auseinander, hier investieren manche Fahrer schon viel, manche zu viel. In der kurvenarmen High-Speed-Abfahrt Richtung Innsbruck kann das Rad laufen gelassen werden, Max Tigges knackt sogar die magische Marke von über 100 Stundenkilometern.
Geschwindigkeiten wie bei den Profis, aber auch Rahmenbedingungen wie bei den Profis. Die Strecke ist in für den übrigen Verkehr vollgesperrt, Kameramotorräder und Hubschrauber übertragen das komplette Rennen im Livestream, Servicefahrzeuge stehen bei technischen Problemen schnell zur Verfügung.
Hinter Innsbruck wartet der Brennerpass. Eine vermeintlich leichte Prüfung, 2 % Durchschnittssteigung. Aber Gegenwind und 35 km Länge machen den Fahrern das Leben schwer. Zum Glück bilden sich hier schnell große Gruppen, in denen der Windschatten den Weg nach Südtirol erträglich macht. Über die Hälfte der Strecke ist nun absolviert, aber in Italien warten noch mehr als zwei Drittel der Höhenmeter auf sich.
Den Auftakt macht der Jaufenpass. Zum zweiten Mal geht es auf über 2.000m Höhe. Der Anstieg verläuft sehr gleichmäßig, auf knapp 17km treten die Athleten der Passhöhe entgegen. Zuschauer entlang der Strecke halten wohltuende Duschen aus Gartenschläuchen bereit, bereits jetzt liegen die Temperaturen jenseits von 25 Grad. Uwe Becker fasst es zusammen: „Die Hitze hat zu schaffen gemacht!“
Und es wird noch heißer: Nach einer kurvenreichen Abfahrt erreichen die Fahrer St. Leonhard, den Auftakt für das große Finale, das Timmelsjoch. Im Talkessel steht die Luft, das Thermometer zeigt 36 Grad an. Die verbleibenden 1.800 Höhenmeter ziehen sich, nicht umsonst hat der Anstieg beim Ötztaler Radmarathon den Beinamen „Scharfrichter“. Jedes Watt zu viel bis jetzt kann sich rächen, zu wenig Nahrung den Stecker ziehen. Nach wenigen Kilometern nimmt die Zahl derer zu, die auf Mauern am Wegesrand statt auf ihren Rädern sitzen. Auf dem Weg zur Italienisch-Österreichischen Grenze an der Passhöhe gelingt es Simon Schmitz, seine Vorjahreszeit trotz der Hitze um eine halbe Stunde zu verbessern – dennoch sind am Ende über 2:15 Stunden notwendig, um die Steigung hinter sich zu bringen.
Jetzt liegt das schlimmste hinter den drei Soestern, die sich nur noch einem kurzen Gegenanstieg stellen müssen, ehe es mit Schuss zurück nach Sölden geht. Begleitet von Euphorie, Erleichterung und Erschöpfung.
Am Ende der Strapazen erreichen alle das Ziel. Simon Schmitz in 9:12,27 Stunden (Platz 712 Gesamt / 693 Männer), Max Tigges in 9:28,30 Stunden (885 Gesamt / 857 Männer) und Uwe Becker in 12:22,51 Stunden (3293 Gesamt / 3071 Männer).